Duke Ellington: Sacred Concert

Duke Ellington prägte seit den 1930er Jahren mit seinen Orchestern über Jahrzehnte wesentliche Entwicklungen im Jazz mit. Man erzählt sich die nette Geschichte, dass er eines Tages gefragt wurde: "Spielen Sie Klavier?" und darauf die Antwort kam: "Nein, Orchester". Und tatsächlich: Duke Ellington spielte auf seinem Orchester wie z. B. Louis Armstrong auf seiner Trompete. Nebenbei erzielte er Klavier spielend, quasi mit der linken Hand, zusätzliche Effekte.   Edward Kennedy Ellington - von seinen Mitschülern "Duke" genannt - hat zunächst lange als Solo-Pianist gespielt. Sechzehnjährig war er gleichzeitig Soda-Mixer und Klavierspieler in einer Kneipe in seiner Heimatstadt Washington.

 

Der achtzehnjährige Duke wollte Maler werden und hat sich auch später, als er bereits ein berühmter Musiker war, immer wieder überlegt, ob er nicht die Musik zugunsten der Malerei aufgeben solle. Ein berühmtes Institut für angewandte Kunst in Brooklyn hat ihm sogar einmal einen Lehrstuhl angeboten. Man kann sagen, Duke Ellington malt Bilder -  nicht mit Farben, sondern mit Tönen.

 

Duke war stolz auf seine schwarze Hautfarbe und beschäftigte sich viel mit der Geschichte der Sklaven in Nordamerika und mit prähistorischer afrikanischer Kunst. Auf diesem Hintergrund erklärt sich das zentrale Thema "Freiheit" in den Texten des Sacred Concert. Täglich, so wird berichtet, las er in seiner Bibel. Doch normalerweise vertonte er kaum geistliche Texte

 

Im Alter von 66 Jahren wurde er gebeten, Musik für eine Reihe von Konzerten zu komponieren, die in großen Kirche der USA aufgeführt werden sollten. Er war begeistert und nahm den Auftrag an. Rückblickend äußerte er einmal, die "Sacred Concerts" seien seine wichtigsten Werke. Nicht nur die Musik, sondern auch die Texte stammen von Ellington. Im Entstehungs-Zeitraum wurde sein enger Freund und Mit-Komponist Billy Strayhorn sehr krank und starb, kurz nach der ersten Aufführung des First Sacred Concert. Zwischen 1966 und 1974 tourte Ellington und seine Band mit drei Sacred Concerts durch USA und Europa. Er engagierte verschiedene Solisten, die bekannteste wohl die Jazz-Sängerin Alice Babs, und örtliche Chöre. Die Musik bestand aus teilweise alten Kompositionen, die für diese Aufführungen überarbeitet wurden, und neuem Material. Die Reihenfolge, in der die Stücke gespielt wurden, war nicht festgelegt, und das Programm variierte von Ort zu Ort, nichts Besonderes für Jazz-Musiker. Teile, die für das erste Sacred Concert geschrieben waren, wurden im zweiten oder dritten gespielt oder umgekehrt. Es scheint, als habe Ellington mit seinen Musikern erst kurz vor der Vorstellung über die Teile des Konzerts entschieden. Wahrscheinlich deshalb existiert keine Partitur der Sacred Concerts. Demzufolge waren zu allen Zeiten die Leiter der Big Bands und Chöre gezwungen, eigene Arrangements für ihre Aufführungen zu erarbeiten. 1993 wurde John Hoybye gebeten, einen großen internationalen Workshop über Duke Ellington’s Sacred Concerts zu leiten. Da keine Partitur vorhanden war, entschied er, mit Peder Pedersen die Musik zu arrangieren und eine Partitur zu schaffen, die die bekannten Orchester-Parts und Chor-Arrangements enthielt. In der ursprünglichen Version sang der Chor meist einstimmig und hatte eine etwas untergeordnete Rolle, wohl deshalb weil die Komponisten auf Tour keine Zeit hatten, mit den verschiedenen Chören zu proben. Darüber hinaus war Ellington nicht so sehr mit dem Chor vertraut wie mit dem Orchester.

 

In der Hoybye-Pedersen-Version, die Sie in Blaubeuren hören, sind Chor und Big Band gleichberechtigt. Da diese neue Version aus Kompositionen aller drei Sacred Concerts besteht, wurde sie einfach SACRED CONCERT genannt. Für unsere Blaubeurer Aufführung arrangierte Bettina Gilbert die Hoybye-Chorsätze teilweise in die schlichtere ursprüngliche Form um. Der spezielle Charme der komplexen, z. T.  8stimmigen Chor-Passagen von Hoybye blieb dabei erhalten.

 

Noch einmal zurück zu Duke Ellington's Bildern: Wenn Sie mögen, können Sie sich von meinen (subjektiven) bildhaften Überschriften durch die einzelnen Sätze des "Sacred Concert" führen lassen:

 

1. Jubelndes Gotteslob - zwischendurch ernst und feierlich - eine große feiernde Gemeinde.

2. Eine Verheißung und ein wunderbarer Traum  - vom Himmel selbst und von den Momenten des Himmels auf der Erde.

3a) Vortasten ins Neuland: verschiedene Aspekte der Freiheit werden erprobt.

3b) sehnsuchtsvolle Vision von Freiheit

3c) Vortrag mit Augenzwinkern: viele Gründe, warum man Freiheit dringend braucht.

3d) eine leise Botschaft an die Verantwortungsträger in Politik und Gesellschaft?

3e) mit allen Sinnen, mit Freude und Lebens-Lust: Freiheit, das ist was für mich!

3f)  stellvertretend für alle Menschen: in vielen Sprachen - der Ruf nach Freiheit.

3g)  wie 3a) - mit einem laut fordernden Ruf nach Freiheit am Schluss.

4.  Der gute Hirte

5. geheimnisvoll und unergründlich - Gottes Liebe.

6. vertrauensvolles, inniges Gebet

7. David tanzt vor Gott - froh und ausgelassen.

8. viele verschiedene Engel - und was sie uns Gutes tun

9. T.G.T.T. - geheimnisvoller Titel. Vielleicht : to God to title ("An Gott" zu überschreiben) - also eine Widmung an Gott.

10. großes Finale. Themen von 1. finden sich wieder, im jubelnden Lobpreis vereint sich alles. "Alles was Odem hat, lobe den Herrn!"